Globuli-Krieg im Handelsblatt

Im Handelsblatt kann man gerade ein hübsches Beispiel für falsche Ausgewogenheit im Journalismus finden. Dabei scheint der Autor Peter Thelen sich alle Mühe gemacht zu haben, einen ausgewogenen Artikel zu schreiben. Ich meine jedoch, seine Sympathien für die sanfte Seite der Macht erkennen zu können. Das zeigt sich schon bei der Wahl des Begriffes „Generalangriff“ zur Einordnung eines Beitrages von Spiegel-TV, der sich kritisch mit der Verwendung von Homöopathie in der Medizin auseinandersetzt. Es handelt sich nicht um einen „Generalangriff“ sondern um eine differenzierte Hervorhebung der Schwachstellen von Homöopathie in der medizinischen Praxis.

Er spricht die intensive Auseinandersetzung in den sozialen Medien an, wobei der Kritikerseite die Verantwortung für die Polarisierung der Debatte gegeben wird. Das wäre dann eine passende Einordnung, wenn die Kritik unberechtigt wäre. Wenn jemand wieder und wieder behauptet, die Erde sei ein Scheibe und fordert, alle Lehrbücher und Atlanten diesbezüglich ändern zu lassen, käme niemand auf die Idee, Kritikern vorzuwerfen, ihre Argumente dagegen vorzubringen. Der Autor erweckt den Eindruck, der Vorsitzende des Gemeinsamen Bundesausschusses Josef Hecken fühle sich durch die Kritik in den sozialen Medien zu seinen Äußerungen zum Finanzierungsende der Homöopathie berufen. Dass es auch Sachgründe dafür geben und welche das sein könnten, dazu kein Wort.

Nachdem Karl Lauterbach in seiner Ansicht zur Homöopathie zitiert wird, wird darauf hingewiesen, dass er noch nie als Kassenarzt praktiziert habe. Als sei das für die Beantwortung der Frage nach der Wirksamkeit der Homöopathie in irgendeiner Form relevant. Relevanter ist, dass Herr Lauterbach neben Humanmedizin und Gesundheitsökonomie Epi-Fucking-demiologie studiert hat. Er ist damit wie kaum jemand auf diesem PLANETEN qualifiziert, eine Aussage zur Wirksamkeit der Homöopathie zu treffen.

Cornelia Bajic wird mit den, widerlegbaren, Aussagen zitiert, dass Homöopathie für bestimmte Indikationen nachweislich wirke (welche?). Darüber hinaus behauptet sie (auch nicht zum ersten mal), 70% der „Schulmedizin“ seien ebenfalls nicht evidenzbasiert. Diese Aussage ist erstens übertrieben und benötigt zu anderen eine Einordnung. Nicht hingewiesen wird auf ihren Interessenkonflikt. Sie hat als einzige der Interviewten etwas zu verlieren, wenn Homöopathie „abgeschafft“ wird.

Die alte Kamelle vom Herrn Hoppe und seiner „Erfahrungswissenschaft“ passt da hervorragend ins Bild. Mit dieser Aussage kann man wirklich jede Methode in der Medizin legitimieren und sie ignoriert, wie Fehleranfällig die Erfahrung von Individuen ist. Auch die unqualifizierte Aussage zur Homöopathie von Frank-Ulrich Montgomery wird nicht durch den Hinweis begleitet, dass die Präferenz von PatientInnen nichts über die Wirksamkeit einer Behandlungsmethode aussagt, noch darüber, ob sie einen Platz in der Medizin hat. Die Präferenz von PatientInnen ist dann entscheidend, wenn eine Methode als Wirksam bewertet wurde und Teil der Medizin ist. Im Moment ist das bei der Homöopathie noch so. Auch fehlt der Hinweis, dass seine Frau Homöopathin ist, womit auch bei ihm ein Interessenkonflikt vorliegt.

Die Verteidigung der Homöopathie durch einen Sprecher der Pharmaindustrie wird durch die „geringen“ Umsätze relativiert, ohne jedoch darauf hinzuweisen, dass die Kosten für die „Behandlung“ (Anamnese etc.) nicht bekannt sind und höher liegen dürften.

Frau Bajic darf dann den aktuellen Marketingbegriff der „Integrativen Medizin“ einwerfen und darauf hinweisen, Homöopathie sei „kein Allheilmittel“. Auch die letzte Aussage wird nicht eingeordnet. So findet sich kein Hinweis darauf, dass im Rahmen des Internationalen Homöopathie-Kongress in Leipzig 2017, ausgerichtet vom Deutschen Zentralvereins homöopathischer Ärzte, dessen Vorsitzende Frau Bajic ist, unter anderem die homöopathische Behandlung von Akutem Abdomen, Frühgeborenen, Autismus, HIV und Krebs propagiert wurde. Auch als einzige „Alternative“

Den Vogel schießt dann der sehr ärgerliche Tweet von Herrn Kachelmann ab, der alle Menschen der Dummheit bezichtigt, die Homöopathie nutzen. Dieser beleidigende Stil wird dann allen Kritikern der Homöopathie unterstellt.

Am Ende entsteht der Eindruck, hier würde es um eine normale Meinungsverschiedenheit gehen und nicht um eine Auseinandersetzung mit fundamental unterschiedlichen Vorraussetzungen der Argumente. Die Kritik der Homöopathie wird auf mehren Ebenen sachlich begründet: Naturwissenschaftliche Grundlagen, welche eine Wirksamkeit ausschließen, Klinische Studien, die eine „Wirkung“ auf dem Niveau von Placebos belegen können, was, aufgrund der naturwissenschaftlichen Grundlagen, zu erwarten ist, Hinweise auf die internen Widersprüche in Hahnemanns Organon sowie den unterschiedlichen Homöopathieformen und zu guter letzt eine alternative Erklärung für die angeblichen Heilungserfolge der Homöopathie.

Fürsprecher der Homöopathie ziehen sich letztlich auf den Satz „Wer heilt, hat Recht.“ zurück, wahlweise in der Variante „Ich sehe doch, dass es funktioniert“. Auch diese Art der Verteidigung der eigenen Position ist zu erwarten, wenn Menschen sowohl einen innerpsychischen, sowie einen materiellen Interessenkonflikt ihr Eigen nennen.

Als Krönung darf Frau Bajic sich noch offen für Neues geben, wenn sie sagt, sie würde aufhören Homöopathie zu nutzen, wenn man ihr beweisen könnte, dass sie nicht funktioniert. Was mich dazu interessieren würde, sind die Bedingungen, die erfüllt sein müssten, damit sie diesen Beleg als erbracht ansieht, denn sie „sieht ja, dass es funktioniert!“

5 Gedanken zu “Globuli-Krieg im Handelsblatt

  1. „Dieser beleidigende Stil wird dann mit allen Kritikern der Homöopathie unterstellt.“
    Das „mit“ ist denke ich zuviel oder? Bzw, „unterstellt“ mit „assoziiert“ o. ä. ausgetauscht werden.

    Ich finde es übrigens etwas ironisch, dass mir am Ende des Textes Werbung für ein Fernstudium zum Heilpraktiker angezeigt wird. In doppelter Ausführung!

    1. Hallo Cedric, ihnen ist schon klar dass die Werbung die Sie auf einer Webseite angezeigt bekommen mehr über ihre Browsing-Historie aussagt, als über die Seite auf der diese angezeigt wird?

      1. Das war keine Kritik, dass die Seite solche Werbung schaltet, denn die haben keinen Einfluss darauf. Ich fand es nur lustig.

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