Zentraler Teil der Ideologie von Vertretern der „White Supremecy“ ist die Ansicht, „weiß“ zu sein, mache einen Menschen überlegen. Überlegen gegenüber „nicht Weißen“. In Europa hängen unsere politisch engagierten Rassisten noch ein wenig am Konzept der Nationalität. „Weiß“ zu sein allein reicht nicht aus, es muss auch die richtige Geschmacksrichtung sein. In den USA möchte man sich ausschließlich auf die Pigmentierung konzentrieren, immerhin ist man Einwanderungsland. Was die konkrete Ausgestaltung der rassistischen Weltherrschaft angeht, gibt es vermutlich noch Diskussionsbedarf zwischen den Ariern auf beiden Seiten des Atlantiks. Im Kern sind sich VertreterInnen der Neuen (und alten) Rechten in Europa und der White Supremecy in den USA jedoch einig, dass Menschen mit stärker pigmentierter Haut ihnen grundsätzlich unterlegen sind. Sie argumentieren dabei biologisch und führen damit die pseudowissenschaftliche Argumentation der Eugenik der Nazis fort.
Mittlerweile sind weiße Rassisten nicht mehr auf den Ariernachweis von Opa und Oma angewiesen, um sich reinrassiger1 Abstammung sicher sein zu können. Für knapp 100 Euro und ein wenig überlegener Spucke, können sie ihre weiße Herkunft schwarz auf weiß nachweisen. Oder eben nicht. In den USA hat eine Gruppe von Forschern online Foren durchforstet und untersucht, was passiert, wenn weiße Rassisten durch genetische Tests erfahren, dass sie zwar weiße Rassisten sein mögen, jedoch keine reinrassigen weißen Rassisten: sie relativieren, sie leugnen oder sie wittern eine Verschwörung2.
Die Verzweiflung unter den arischen Kameraden geht bereits soweit, dass sie die Fähigkeit, als Erwachsener Milchzucker aufspalten zu können, mythisch überhöhen, um die eigene Überlegenheit nachzuweisen. Und es wird nicht besser, genetische Forschung reißt weiter Löcher in die pseudowissenschaftlichen Hypothesen. Science berichtet in seiner aktuellen Ausgabe über eine Studie zur Hautpigmentierung und deren genetischer Ursache.
Da wir alle wahrscheinlich von einer Frau vom afrikanischen Kontinent abstammen, die vor ca. 200 000 Jahren gelebt hat, müsste die genetische Veränderung, die zu weniger pigmentierter Haut geführt hat, relativ neu sein. In diesem Unterschied müssten die großartigen Eigenschaften weißer Rassisten begründet sein.
Es gibt ein Gen, welches für Depigmentierung der Haut verantwortlich ist. Man nennt es SLC24A5 und es sorgt für eine hellere Hautfarbe. Es ist in der europäischen (und europäisch stämmigen) Bevölkerung verbreitet und vermutlich 6000 Jahre alt. Seinen Ursprung nahm es auf dem afrikanischen Kontinent. Dort gibt es in einigen Regionen bis zu 50% der Menschen, die auch dieses Gen tragen.
Die Gene HERC2 und OCA2 sind ebenfalls für hellere Haut und hellere Haare verantwortlich und sie haben ebenfalls ihren Ursprung auf dem afrikanischen Kontinent. Man könnte sage, das Fundament für „White Supremecy“ wurde auf dem afrikanischen Kontinent gelegt. Wenn Lucy das gewusst hätte, hätte sie ihren Kindern sicher verboten, den Rest der Welt zu besiedeln.
Andererseits gehen die Forscher davon aus, dass unsere frühen Verwandten helle Haut hatten, die sich erst im Verlauf der Jahrtausende verdunkelte. Vorher habe die Körperbehaarung die Haut vor der Sonne geschützt. Starke Hautpigmentierung war somit ein evolutionärer Fortschritt. Sind weiße dann eine Art Rückentwicklung? Immerhin sagte eine der AutorInnen der Studie, Sarah Tishkoff: „Wenn man einen Schimpansen rasiert, hat er helle Haut.“ Das erklärt wohl das neue Motto in der rassistischen Bewegung:
White Power – Back to the roots
- Dabei benutze ich den Begriff „Rasse“ im politischen Sinne, biologisch ergibt er bei Menschen keinen Sinn. Politisch ergibt er auch nur Sinn, wenn man eine rassistische Agenda verfolgt. Da eine rassistische Agenda keinen Sinn ergibt, ergibt das Konzept auch keinen Sinn. ↩
- Es dürfte wenig überraschend sein, dass es sich um eine „jüdische Verschwörung“ handeln soll. Fantasie und Faschismus fangen zwar beide mit „F“ an, haben sonst wenig miteinander zu tun. ↩