Sechster Teil – „Die freie Impfentscheidung“

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[Dies ist der sechste Teil einer Serie zum Buch „Impfen Pro & Contra: Das Handbuch für die individuelle Impfentscheidung“ von Dr. Martin Hirte. Es geht um das Kapitel „Die freie Impfentscheidung“ Zur Einführung geht es hier entlang.]

In diesem Teil fasst Hirte seine Thesen aus den vorangegangenen Kapiteln zusammen und spricht sich dagegen aus, dass es Impfungen gegen den Willen von Menschen gibt. Interessant an seiner gesamten Argumentation in dieser Hinsicht ist, dass unter anderem die STIKO sich gegen eine Impfpflicht ausspricht. Hirte mischt, wie in den Kapiteln vorher, die Diskussionen um den Sinn einer Impfpflicht und den Sinn von Impfungen. Da er diese Diskussionen nicht klar trennt, wirken Argumente gegen eine Impfpflicht wie Argumente gegen Impfungen. Ob das Berechnung oder mangelnde Fähigkeit im Verfassen von Texten ist, ist unklar.

Zur Überschrift bleibt zu sagen, die Entscheidung ist nur frei, wenn die Informationen, die Eltern zu Impfungen erhalten richtig sind. Dazu passend wird auf Seite 22 Albonico zitiert, wie er vom „Wesen der Impfung“ spricht. Es ist für mich nicht ersichtlich, ob er die Formulierung umgangssprachlich nutzt oder anthroposophisch. Im letzteren Fall wäre „Wesen“ durchaus wörtlich zu nehmen und würde Albonicos Kritik wahrscheinlich für die meisten Menschen weniger glaubwürdig machen.

»Die Impfentscheidung ist für Eltern ein moralisches Dilemma, und dies muss respektiert werden … Wissenschaftler sollten sich hüten, Angst und Zurückhaltung als Ignoranz zu betrachten und sie mit einem derben ›rationalen‹ Instrument zerstören zu wollen … Informierte Ablehnung muss in einer freien Demokratie eine Wahlmöglichkeit bleiben« (Pattison 2001). (Seite 23)

Ein interessantes Zitat. Es wurde vom Theologen Stephen Pattison auf dem Höhepunkt der „Wakefieldkrise“ verfasst1, zumindest teilweise, doch dazu später mehr. Neben einer Unterstellung – Wissenschaftler würden Angst und Zurückhaltung als Ignoranz betrachten – spricht er die Binsenweisheit aus, dass Eltern (wie alle Menschen) ernst genommen werden möchten. Hirte bedient sich dieses Zitats im Rahmen seines Narratives, dass es einen Zwang zu Impfungen gäbe und Mediziner die Sorgen der Menschen nicht ernst nehmen würden.

Wie unsauber Hirte für dieses Buch recherchiert hat, ist an diesem Zitat ebenfalls exemplarisch zu erkennen. Es stammt aus einer Debatte zwischen Stephen Pattison und Tom Heller, einem Allgemeinarzt. Die Basis dieser Debatte hat sich seit 2001 unter anderem deswegen verändert, weil die Studie Wakefields, die Auslöser dieser Debatte war, 2010 als Fälschung erkannt und zurückgezogen wurde. Das Zitat müsste also zumindest in den richtigen Kontext gestellt werden. Wirklich schlampig ist jedoch, dass der letzte Teilsatz nicht von Pattison stammt, sondern von Tom Heller, seinem Diskussionspartner. Dieser wiederum zitiert ein Editorial aus dem Jahre 20002, in dem es darum geht, wie das Vertrauen der Bevölkerung in Impfungen wieder zurückgewonnen werden kann. Die Autoren, von denen der Teilsatz „Informierte Ablehnung muss in einer freien Demokratie eine Wahlmöglichkeit bleiben3“ stammt, sprechen sich ganz klar für Impfungen aus.

„Auf der Konferenz »Ethische Probleme bei Impfungen im Kindesalter 2006« sprach sich Lainie Ross, Medizinethikerin an der Universität von Chicago, für die freie Impfentscheidung auch in den USA aus. Ärzte müssten den Patienten zuhören und versuchen, ihre Ängste zu verstehen: »Während die Zahl der Impfungen wächst und wächst, werden die Menschen immer skeptischer … Die Menschen haben kein blindes Vertrauen mehr in das Gesundheitssystem« (Ostrom 2006).“ (Seite 23)

Ob sich Lainie Ross als Befürworterin für Hirtes Thesen heranziehen lassen würde, halte ich für zweifelhaft. Sie ist zwar gegen eine Impfpflicht und hat auf der Konferenz für eine lebhafte Debatte gesorgt, als sich für komplett freiwillige Impfungen aussprach, sie ist jedoch der Ansicht, Impfungen seien effektiv und sicher. Interessant ist übrigens auch, dass Hirte den Artikel zwar an dieser Stelle zitiert und die Aussage Ross’ als Beleg für seine These nimmt, die Äußerungen zu Thiomersal eines anderen Experten jedoch vollkommen ignoriert4.

„Er (Anm.: Der Verein Ärzte für individuelle Impfentscheidung) fordert umfassende und unabhängige Untersuchungen zu Sicherheit und Nachhaltigkeit von Schutzimpfungen und Impfprogrammen und die freie und öffentliche Diskussion der entsprechenden Forschungsergebnisse.“ (Seite 24)

Auch hier unterstellt Hirte bzw., der „Verein Freier Impfentscheid“, dass es anders wäre. Was bedeutet für Hirte „umfassend“, was „unabhängig“. Unabhängig wäre es, an dieser Stelle zu erwähnen, dass Hirte Mitglied in diesem Verein ist.

Hirte fordert in diesem Kapitel eine freie Impfentscheidung. Diese kann es nur geben, wenn Menschen die richtigen Informationen haben. Richtige Informationen bedeutet, dass die aktuelle Forschungslage zu Impfungen wiedergeben wird. Richtige Informationen bedeutet nicht, dass die Informationen zum Ziel haben, Menschen vom Impfen abzuhalten. Die Daten zu Impfungen werden kritisch diskutiert. Auf Basis der vorhandenen Daten und des aktuellen Wissens, nicht auf Basis von weltanschaulichen Spekulationen. Hirte hat in diesem Kapitel sogar ein Zitat aus einer solchen Diskussion angeführt. Er hat es jedoch nicht erkannt und der falschen Person zugeordnet5.

  1. Vaccination against mumps, measles, and rubella: is there a case for deepening the debate?How safe is MMR vaccine?Validity of the evidenceDealing with uncertaintyGP’s responseBMJ 2001; 323 doi: https://doi.org/10.1136/bmj.323.7317.838 (Published 13 October 2001)Cite this as: BMJ 2001;323:838
  2. Vaccine Safety: Injecting a Dose of Common SenseGregory A. Poland, MDPlumX MetricsDOI: http://dx.doi.org/10.4065/75.2.135
  3. the role of the government is to inform, educate, recommend, and even provide incentives for immunization—but not to mandate without exclusion acceptance among the civilian population. Informed refusal must remain an acceptable choice in a free democracy, and the culture of informed consent, with both religious and philosophical exemption, must be maintained. The difficult balancing act will be in determining the right of the state to control an infectious disease and the right of the individual to choose. This might be partly resolved by considering (with informed refusal) universal immunization against those diseases that pose unacceptable risks to others in the community.
  4. Dr. Jeff Duchin, director of communicable-disease control for Public Health-Seattle & King County, said the public is further confused by laws banning thimerosal in childhood vaccines, such as the one passed this year by the state Legislature. „Although the legislation was undoubtedly well intentioned,“ he said, „it is an embarrassment because it was unnecessary and misleading.“
  5. Manchmal fehlen mir einfach die Worte, um meiner Fassungslosigkeit Ausdruck zu verleihen…

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