Meine Nachmittage als Jugendlicher verbrachte ich mit Captain Picard und seiner Crew. Das Star Trek Universum und die ethischen Probleme der „Next Generation“ haben meinen Blick auf die Welt geprägt. Damit bin ich sicher nicht allein. Darum ist Star Trek Discovery auch nicht irgendeine Serie für mich, sondern eine, an die ich höhere Maßstäbe ansetze. Darum war ich etwas enttäuscht als der Begriff „Eugenik“ in einer Folge falsch benutzt wurde.
In einer Szene hatte ein Crewmitglied sich entschieden, die eigene DNA zu verändern, um etwas machen zu können, was den Plot der Serie voran treiben würde. Als der dem Captain von seinem Plan erzählte, sagte dieser etwas ungläubig „Eugenics!?“. Mit Eugenik hat die Veränderung der DNA eines einzelnen Menschen aber nichts zu tun. Zumindest nicht nicht ohne einen bestimmten Kontext. Mit diesem Fehlgebrauch des Begriffs sind die Drehbuchautoren nicht allein. Eugenik wird schnell benutzt, wenn es darum geht, die Veränderung des genetischen Codes von Menschen negativ zu bewerten. Eugenik wurde u. a. von den Nationalsozialisten betrieben, das weiß jeder, die Assoziation ist sofort da.
Eugenik hat jedoch eine andere Bedeutung. Eugenik bedeutet, zu versuchen, die Bevölkerung gesünder zu machen, indem man versucht, positiv bewertete Erbanlagen in der Bevölkerung zu behalten und negativ bewertete Erbanlagen loszuwerden. Um das zu erreichen, ist es nicht ausreichend, den genetischen Code eines Individuums zu ändern. Man müsste den genetischen Code in den Keimbahnen verändern, also dem Bereich, der vererbt wird: Samen- und Eizellen. Weder die eine noch die andere Möglichkeit waren den Nazis gegeben.
Darum haben die Nationalsozialisten Menschen anhand von Merkmalen, die sie für positiv oder negativ für den Volkskörper hielten entweder bei der Reproduktion gefördert oder sie daran gehindert. Damit waren sie zum damaligen Zeitpunkt nicht allein. Sie waren allerdings die einzigen, die Menschen, aufgrund ihrer Merkmale ermordet haben. In anderen Staaten beschränkte man sich damals auf Zwangssterilisation.
Es war nicht das Ziel der Nazis, genetische Veränderung zum Nutzen von Individuen einzusetzen. Eugenik ist ein politisches Konzept, welches auf einem pseudodarwinistischen Verständnis von Evolution beruht. Eugenik kann nur stattfinden wenn es die passende politische Agenda gibt. Eugenik ist eine auf die Bevölkerung1 ausgerichtete Politik und keine einzelne Intervention. Es geht bei der Eugenik darum, den Volkskörper. Der Volkskörper war für die Nazis kein abstraktes Konzept, sondern etwas organisches, auf das man mit Politik Einfluss nehmen. Das Individuum war in diesem Kontext so relevant wie die Zelle eines Körpers. Austauschbar.
Ein Individuum, welches für sich oder seine/ihre direkten Nachkommen die Entscheidung trifft, Einfluss auf den genetische Code zu nehmen, kann keine Eugenik betreiben. Den Begriff nicht zu verwenden, macht die Entscheidung nicht besser oder schlechter. Es befreit das Individuum jedoch vom historischen Ballast. Menschen, die vor diesen Entscheidungen stehen, tragen bereits ausreichend Ballast, um den sie sich kümmern müssen.
- Oder, in Falle der Nationalsozialisten eine auf den „Volkskörper“ ausgerichtete Politik ↩