In den Kellern und auf den Dachböden deutscher Wohnungen und Häuser sammeln sie sich. Ganze Horden bunter Kartons, die versprechen, was sie nicht mehr halten können. Sie sind leer. Originalverpackungen. Wir heben Transportbehälter unseres Hab und Guts auf. Diese sehen nach Jahren besser aus als das, was darin transportiert wurde. Sie sind eine ständige Erinnerung an die Vergänglichkeit alles Materiellen. Sie zeigen uns, wie schön unsere Besitztümer einst waren. In ihren dunklen Verstecken trotzen sie der Entropie.
Wir begegnen Originalverpackungen in unverhofften Momenten. Wir werden von ihrer Schönheit überrascht, wenn wir bei der Planung des nächsten Urlaubs die alte Isomatte suchen, gespickt mit Brandlöchern, von unruhigen Händen auseinandergerupft. Die umgeben uns, während wir den Campingkocher aus seiner verstaubten Ecke zerren, übersät mit Flugrost, das TÜV-Siegel im Kontrast makellos. Der Kocher, ein Schatten seiner Selbst. Ein Selbst, dass uns höhnisch von der Originalverpackung angrinst, aus einem Stapel anderer Originalverpackungen. Ein Stich trifft uns, hinterlässt den Hauch von Schmerz und ein Gefühl der Resignation: Hatte ich mich nicht um meine Dinge kümmern wollen, auf sie achten? Eine brennender Wunsch überfällt uns: Wäre es nicht schön, mit weniger auszukommen? Beim campen geht das doch auch! Da finden wir auch die Isomatte. Es wird wohl bald Zeit für eine neue.
Durch soziale Medien erfuhr die Rolle der Originalverpackung eine beinahe transzendentale Aufwertung. Die Originalverpackung ist der physische Leib, der vom Objekt unserer Begierde abgeschält wird. Das karmisch aufgeladene Objekt wird in einem ekstatischen Prozeß öffentlich entblättern; dem Unboxing. Tausende schauen zu beim Konsumporno. Nach diesem Feuerwerk der Emotionen wird der physische Leib zum Warten auf den Dachboden verfrachtet.
Es gibt auch eine andere, stillere Phase im Leben der Originalverpackung. Eine Phase die nur noch ein Echo der extrovertierten Performance ist, die dem Kauf folgte. Eine Phase in der sie, durch die Jahre in den dunklen Regalen, bescheidener geworden ist, reifer. Das Objekt, das sie einst schützend umhüllte geht auf eine Reise, unter Umständen seine letzte. Das Ziel dieser Reise ist noch unklar, der Weg jedoch bereits vorgezeichnet: „Versand in Originalverpackung“. So steht es in der Beschreibung bei Ebay. Ein wohliger Schauer läuft den potentiellen KäuferInnen über den Rücken. Die Originalverpackung ist der Beleg für die Zuverlässigkeit des Verkäufers. Ein Verkäufer, der allabendlich mit samtenen Tüchern aus Mikrofasergewebe liebevoll die Oberfläche der in seiner Obhut befindlichen Geräte pflegt, um sie dann geordnet nebeneinander abzulegen.
Die Originalverpackung verhilft dem Objekt unserer einstigen Begierde zu einem Comeback. So beginnt er von Neuem, der ewige Kreislauf des Konsums wenn irgendwo jemand vor einem Bikdschirm leise stöhnt: 3,2,1, meins!