Besuch beim Wunderheiler

Ich hasse die Grenzen, die mir das Raum-Zeit-Kontinuum auferlegt! Wenn man jedoch so will, sind sie in diesem Fall ein Gottesbeweis oder ein Beleg für seine Nichtexistenz. Je nach Perspektive.

Gestern berichtete ich vom Wunderheiler Hamilton Filmalter, der uns aus dem schönen Portland besucht, um uns heilen zu können. Heute habe ich ihn gesehen, wahrhaftig in all seiner Pracht. Wobei Pracht vielleicht nicht der richtige Ausdruck ist, denn für Intelligent Design ist der Herr nicht gerade ein Beispiel, Wunderheiler hatte ich mir charismatischer vorgestellt. Doch das Wichtigste vorweg: Ich konnte nicht bis zum Ende bleiben, da ich noch einen Termin hatte, der mir wichtiger war als geheilt zu werden. Von dem, was ich von der Veranstaltung erlebt habe, war ich allerdings ziemlich unterwältigt. Das lag nicht nur daran, dass in meiner Nähe jemand gesessen haben muss, der den charakteristischen Geruch verströmte, der sich bildet, wenn Menschen die Weichspüler nutzen, sich selbst nicht so gerne waschen und zum Schwitzen neigen. Aber da kann natürlich der Heiler Hamilton nichts für. Auch die Räumlichkeiten in der A30, so nennt sich das spirituelle Zentrum der Alaunstraße, laden nicht zum transzendenten Verweilen ein. Ich fühlte mich an den Flachbau des katholischen Pfarrheims meiner Jugend erinnert.

Der Beginn sollte 18:30 sein, doch weil sich die Gemeinde aus vielen Nichtdeutschen zusammensetzt, wurde auf „deutsche Pünktlichkeit“ verzichtet, so der Veranstalter. Man begann später. Die Vorband waren der Gemeindevorsteher Markus und sein Dolmetscher. Alles wurde auf Farsi übersetzt. Auch das verzögerte den Ablauf nicht unerheblich. Markus pries natürlich Jesus und Gott und sagte, diese Gemeinde habe ihn Geduld gelehrt. Eine Ermahnung blieb jedoch nicht aus: wenn er beruflich Termine mit Geschäftsleuten habe, könne er diese nicht eine Viertel Stunde warten lassen. Übersetzung. Integration muss sein.

Die einleitenden Worte sollten die Bühne bereiten, für das, was stattfinden würde. Am Vortag, bei der ersten Veranstaltung habe es bereits Heilungen gegeben. Halleluja! Markus fragte, was wir erwarteten an diesem Abend: „Heilung“, „Rettung“, „Liebe“, „Festigung“, „Erlösung“, schallte es aus der Gemeinde. Wir stellten uns zum Gebet hin, denn damit „hier dasselbe möglich ist, wie im Himmel“, musste erst alles Schlechte raus aus dem Raum. Unter anderem Satan. „Satan“! Satan, verschwinde, mit der Kraft von Jesus Christus. JESUS CHRISTUS. Halleluja! Auch sonst sollte alles Schlechte aus dem Raum. Alles was stören könnte, sollte den Raum verlassen. War ich gemeint? Ich blieb, das Risiko in Kauf nehmend, die Heilung meiner Mitmenschen zu verhindern.

Hamilton, wir aus der Gemeinde duzen uns, daher darf ich ihn mit Vornamen ansprechen, betrat nach 15 Minuten die Bühne, gemeinsam mit seiner Frau. Dieses Heilerbusiness muss ziemlich anstrengend sein, denn Hamilton sah nicht aus wie das blühende Leben. Ich habe mir ein wenig Sorgen gemacht, dabei ist er doch der Heiler! Hamilton teilte uns mit, er sei nach Deutschland gekommen, um sich um „die Flüchtlinge“ zu kümmern. Denn er sei überzeugt, dass Jesus die Flüchtlinge nach Deutschland gebracht habe, weil der hier noch etwas mit ihnen vorhabe. Halleluja! Mission sei sein Ziel! Die Heilung passiert wohl nebenbei.

Über den seltsamen Humor Gottes hatte ich bereits in letzten Text geschrieben. Auch in diesem Fall stellt er ihn wieder unter Beweis. Da wird ein Land in Schutt und Asche gelegt, Menschen werden von radikalen Islamisten abgeschlachtet und zu Sklaven gemacht, nur damit Hamilton in Dresden seine traurige Show vor dem Rest abhalten kann, der es bis nach Deutschland geschafft hat. Haha Halleluja!

Hamilton kündigte dann an, heute würden drei Bibelstellen verlesen. Andere als am Vortag, da habe man…er schaut sich suchend um…stockt…es fällt ihm nicht ein. Auch hier macht Hamilton keine souveräne Figur, steht ein wenig verloren auf der Bühne. Da kommt einer und bringt sein braunblaues Karohemd und seine Sehbehinderung1 nach Deutschland um Menschen zu heilen und er kann sich nicht mal die Bibelstellen vom Vorabend merken? Das sollte doch nun wirklich seine Kernkompetenz sein. Ich verlor endgültig mein Vertrauen in Hamilton. Seine Frau, die ganze Zeit an seiner Seite, ihn scheinbar stützend und ihm soufflierend, rettete ihn aus seiner Unwissenheit und er sagte uns die Bibelstelle des Vorabend. Heute sollten es jedoch andere Bibelstellen sein. Vielleicht damit die, die zum zweiten Mal da waren, und das schien mir die Mehrheit zu sein, sich nicht langweilten? Sacharja Kapitel 3, Vers 1 – 8, Johannes Kapitel 8, Vers 31 – 36 und…da kam mir das Raum-Zeit-Kontinuum ins Gehege und ich musste diesen heiligen Ort verlassen. So wie die Moses sein Volk zur Eile trieb als es Ägypten verließ, trieb ich mir zur Eile zu meinem nächsten Termin. Schade.

Heute morgen hatte ich Schmerzen im Fuß. Diese deistischen Botschaften sind wirklich nicht leicht zu entschlüsseln. „Wer Sünde tut, der ist der Sünde Knecht.“ Blöd. Halleluja!

  1. Ich erwähne das nicht, weil ich denke, dass das etwas schlechtes ist, ich wundere mich nur, dass ein Wunderheiler seinen eigenen Kram nicht auf die Reihe bekommt. Wenn man sich nicht selbst heilen kann, könnte er sich ja einen Kollegen oder eine Kollegin suchen, es gibt doch genug andere in dem Geschäft. Oder sollten das etwas alles Scharlatane sein?

Ein Gedanke zu “Besuch beim Wunderheiler

  1. Kann es nicht sein, dass das Wort Wunderheiler nicht nur von wunderbar, sondern auch von wunderlich abgeleitet wird. „Wunderliche Heiler werden unter Euch für Erheiterung sorgen.“ Paulus an die Parisäer 17,4 oder 08,15 ich weiß das nicht genau.

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