Esoterik und psychische Gesundheit

Durch die fleißige Arbeit von Andreas Weimann im Hintergrund, ist nun auch mein Vortrag der diesjährigen Skepkon auf Youtube verfügbar. Ich versuchte darzulegen, warum Menschen, die irrationalen Ideen anhängen nicht „verrückt“ sein müssen. Unabhängig davon, wie abgefahren anderen die Idee erscheinen kann. Im kommenden Skeptiker (03/15) ist ein Text zum Thema geplant.

3 Gedanken zu “Esoterik und psychische Gesundheit

  1. Danke für den interessanten Vortrag. Ich fand ihn wirklich sehr gelungen und habe geradezu gewartet, dass das unter Skeptikern mal thematisiert wird (weil ich mich auch oft darüber streite, dass man zu oft dazu neigt, einfach irgendwelche Ferndiagnosen-Psychogramme seiner ‚politischen Gegner‘ zu erstellen, anstatt das Kraft des besseren Arguments zu tun), nur ein paar kritische Anmerkungen dazu:
    Du möchtest sensibilisieren für die Sprache, was ich durchaus nachvollziehen kann. Ich will auch nicht einer abstrakten Freiheit das Wort reden, bei der jeder ganz ungehemmt einfach alles sagen sollen dürfe. Worte können verletzen und stigmatisieren. Aber beinhaltet nicht die Sensibilisierung für Sprache selbst schon ein Moment des von dir genannten magischen Denkens? Wenn man idealerweise die Worte aus dem Sprachschatz verbannt hätte, bestünde der Grund/die Motivation/das Bedürfnis danach ja weiter.
    Im Beitrag vor diesem nennst du Festerling „homophob“. Hast du dich in deinem Vortrag, im Kontext dieser Sprachsensibilisierung mit dem Verweis auf Sandor Rado nicht gerade dagegen ausgesprochen, das so zu nutzen? Ich meine das gar nicht hämisch, Ich teile diese Einschätzung, dass die Person homophob ist. Aber dieses Konzept der Homophobie beruht ja gerade auf der Ansicht, dass es nicht nur ‚andere Bedürfnisse‘ sind, also der eine ist eben heterosexuell und habe deswegen nicht das Bedürfnis. Ich würde nämlich dann (analog zu deinen Ausführungen zu Hamer im Vortrag) Festerling nicht als homophob in Abgrenzung zu einem bei anderen Menschen harmlosen Bedürfnis (einfach nur mit dem anderen Geschlecht Sex haben zu wollen), sondern Homophobie als einen „gesellschaftlichen Komplex“ bezeichnen. Das mag bei Festerling besonders ausgeprägt zu sein, aber es gibt ja eine irrationale Abwehr gegen Homosexualität, die gesellschaftlich weit verbreitet ist. Damit – den Begriff der Homophobie zu nutzen – holt man sich aber dann wieder das ins Boot, was du eigentlich nicht willst (Phobie als Stigma). Btw.: Rado kam ja (wie du auch im Vortrag betont hast: im Gegensatz zu Freud) m.E. nicht auf diese schematische Diagnose („Homosexualität = Phobie vor dem anderen Geschlecht“), weil er Psychoanalytiker war, sondern weil er die Psychoanalyse mit dem Rüstzeug der Naturwissenschaften ausstatten wollte. Das ist das, was man oft ‚Medizinalisierung der PA‘ nennt. Das führt m.E. mehr zu solchen Kurzschlüssen, als die spekulative Methode der PA. Psyche nicht als eigene Qualität zu behandeln, sondern sie in die Erkenntnisraster der organischen Medizin einzugemeinden (Niere und Urin…). Ich würde das alles dennoch als Wahn bezeichnen, aber nicht sensu klinischer Psychologie/Psychiatrie, sondern einen objektiven Begriffs des Wahns oder der Phobie – d.h. auf die ‚Zusammensetzung‘ der Gesellschaft als solche angewendet. Das Subjekt der Betrachtung ist nicht mehr der einzelne Esoteriker, sondern die Gesellschaft, die solche Gedankenformen hervorbringt. Ich fand dazu die Ausführungen in dem Aufsatz „Meinung, Wahn, Gesellschaft“ von Adorno sehr erhellend, gerade auch für die Kritik irrationaler Überzeugungssysteme. Die sind ja kein „lunatic fringe“, sondern – ganz im Einverständnis deines Vortrags gemeint – eben gesellschaftlich normal.

    1. Dank für den Kommentar. Und auch vielen Dank für die kritische Anmerkung. Man könnte es fast als Beleg für die Existenz morphologischer Felder nehmen, denn ich habe selbst darüber nachgedacht, den Begriff „homophob“ im Artikel für den Skeptiker zu thematisieren. Ich bin mir noch nicht sicher, ob ich den Begriff, im Lichte meiner eigenen Kritik, weiter nutzen werde. Hier ein paar Gedanken dazu.

      Obwohl „Phobie“ eindeutig psychiatrisch ist, empfinde ich die Endung „phob“ nicht als teil psychiatrierender Sprache. Aber, mein Empfinden ist natürlich nicht relevant, Argumente sind relevant. Homophob zu sein oder als homophon beschrieben zu werden dient, zumindest in meinem Fall, nicht der Abwertung sondern der Beschreibung (nicht dass die Dame nicht von mir abgewertet wird, allerdings nicht durch den Begriff „homophob“). Dann habe ich nach längerem überlegen keinen Begriff gefunden, der besser eine ablehnende Einstellung gegenüber homosexuell orientierten Menschen beschreibt.
      „Homophob“ wurde ursprünglich eingeführt um deutlich zu machen, dass nicht homosexuell orientiere Menschen krank sind, sondern die Menschen, die diese Menschen ablehnen. George Weinberg soll den Begriff zu diesem Zweck eingeführt haben.

      Der Begriff „homophob“ ist, zum jetzigen Diskussionsstand, aus meiner Sicht ein gutes Beispiel dafür, warum ein „Verbot“ von psychiatrierender Sprache Unsinn ist. Denn der Begriff, der eindeutig aus dem psychiatrischen Kontext stammt, hat seine medizinische Bedeutung abgelegt und dient der Beschreibung einer Einstellung. Ich bin allerdings kein Sprachwissenschaftler, somit ist es durchaus möglich, dass ich gerade Opfer des Dunning-Kruger-Effekts bin 🙂

  2. Hi, hab´s leider dieses Jahr nicht auf die Konferenz geschafft. Was schade war, hätte mich gerne mal so unter Bloggern unterhalten, in München war da ja auch keine Zeit mehr.
    Du hast natürlich recht. Zu leichtfertig wird jemand als „krank“ bezeichnet. Das macht schon alleine deshalb keinen Sinn, weil man als Skeptiker sowieso die besseren Argumente hat und deshalb nicht persönlich werden muss! Man würgt dann auch die Diskussion ab, die man vielleicht selbst gesucht hat.
    Bin mir aber nicht sicher, in wie weit eine Ansicht krankhafte Züge haben kann, ohne das es der Eigentümer schon ist. Ich würde sehr viele Ansichten und Verhaltensweisen bei Esoterikern als „paranoid“ bezeichnen, ohne die Person als Paranoiker zu bezeichnen (Das mach ich allein schon deshalb, um rechtlichen Konsequenzen aus dem Weg zu gehen).
    Das ist im Prinzip auch den allgemeinen Diskussionsregeln geschuldet, die besagen niemals die Person sondern immer nur sein Argument zu treffen. Wenn das nicht möglich wäre, wäre es schwer mit unserer Sprache.
    Ansonsten (bissl anderes Thema) regt mich sowieso diese weiche Pathologisierung in der deutschen Sprache und im allgemeinen Empfinden viel mehr auf: Wir brauchen Wellness und Burn-Out-Prävention, als ob man als Mensch kein Recht auf normale Entspannung hätte. Werkräume in Kindergärten heißen jetzt Werk-Therapie-Räume, für an Kindheit erkrankte Menschen… gibt da unzählige Beispiele.

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