Wolfgang Thierse, ausgesprochener Christ und Bundestagspräsident a.D., durfte zum Thema „Reformation und Politik“ predigen und ließ sich zu folgendem Satz hinreißen:
„Sie (Anm.: Religion) ist für das ethische Fundament gelingender Demokratie unersetzlich, gerade auch deshalb, weil sie auf die Grenzen von Politik verweist, Totalitätsansprüchen widerspricht“
Äh…nö, Herr Thierse. Dass Religion und Demokratie unter den richtigen Rahmenbedingungen vereinbar sind, darauf können wir uns einigen. Sie „unersetzlich“ zu nennen weist allerdings auf eine etwas verzerrte Wahrnehmung religiösen Wirklichkeit hin. Gerade heute wurde z.B. bekannt, dass die Glaubenskongregation, also die Nachfolgeinstitution der Inquisition, ein Verfahren gegen Priester in Chile eröffnet, die sich für ein Menschenrecht ausgesprochen haben: (Sexuelle) Selbstbestimmung.
Wie soll denn etwas, was Menschenrechte einzuschränken versucht, (und zwar für alle Menschen, nicht nur für diejenigen, die sich den Dogmen, die der internen Logik folgen, unterwerfen), „unersetzlich“ sein, für das „ethische Fundament“ der Demokratie? Dass die Grenzen der Politik von einer mehrere Tausend Jahre alten Geschichtensammlung und den daraus konstruierten Dogmen gezogen werden sollen, erscheint mir auch nicht sehr demokratisch.
Was den Totalitätsanspruch angeht, sollten Sie vielleicht mal schauen, wie es sich bei den drei monotheistischen Religionen damit verhält. Gerade hat Herr Kretschmann verlauten lassen, wer fände es in Ordnung, dass kirchliche Arbeitgeber Menschen anderer Glaubensrichtung aus genau diesem Grund die Einstellung verweigern dürften. Was ist ethisch daran, jemanden wegen des falschen imaginären Freundes auszuschließen? Das klingt eher nach Totalitätsanspruch, als nach Fundament gelingender Demokratie.
Also, Herr Thierse, nur weil man etwas behauptet, und sei es mit noch so viel innerer Überzeugung, wird es weder logisch, noch richtig. Auch wenn Vertreter diverser Religionen seit Jahrhunderten so tun, als sei das so.