Über Homöopathie als Therapie bei Autismus hatte ich ja bereits im Rahmen der CEASE-Therapie geschrieben: sie ist wirkungslos, jedoch nicht ohne Folgen. Nun bin ich über einen Beitrag auf den Seiten des Narayana-Verlags, einem Vertreiber homöopathischer Literatur, gestoßen, der exemplarisch aufzeigt, wie man im Grunde alles zu einer „Heilung“ umdefinieren kann. Beschrieben wird die Geschichte eines Jungen, den der Autor mit vier Jahren das erste mal sieht. Er gibt ihm ein Mittelchen, was auf einige seiner Symptome passt:
„Auf der Grundlage meiner Beobachtungen gab ich Ginuwine Barium muriaticum 200 K, eine Gabe alle 4 Wochen. Dieses Mittel passte zu seiner Entwicklungs- und Sprach-Retardierung sowie zu einigen seiner körperlichen Symptome.“
Interessant an dieser Aussage ist, dass das Mittel, nach allem, was ich von Homöopathie weiß, eigentlich nicht korrekt ausgesucht worden ist. Nach dem Simile Prinzip muss das „ähnlichste Mittel“ gefunden werden. Dabei geht es darum eine Mittel zu finden, dessen Arzneimittelbild (die Symptome, die es beim Gesunden hervorruft) zur Erkrankung des Patienten passt. Dabei muss man das Symptom finden, welches am individuellsten ist. Außerdem werden „geistige“ Symptome höher bewertet, als körperliche. Eine kurze Recherche nach Barium muriaticum zeigt:
„BARIUM CARBONICUM gilt als wichtiges Mittel für Kinder, sowohl konstitutionell als auch situativ. Spätentwickelte oder nicht entwickelte Kinder: lernt spät gehen, späte Zahnung,…
In der Literatur wird besonders der große Nutzen des Arzneimittels bei retardierten und behinderten Kindern, etwa bei Trisomie 21 betont: Stumpfheit bei Kindern“
Kinder mit Autismus und Kinder mit einer Trisomie 21 (ohne Autismus!) zeigen deutliche Unterschiede im Verhalten. Mir erscheint das nicht sehr individuell ausgesucht. Nach dem Motto: „Behinderte, kennste einen, kennste allen.“
Egal, es geht ja um etwas anderes, nämlich den Verlauf. Der Autor schreibt über seien Erfolg mit seinem Mittel:
„Er spricht mehr und seine Sprache ist deutlicher geworden. Sein Essverhalten hat sich verändert: er isst jetzt Dinge, die er vorher nie gegessen hat.
Fünf Monate später: Die Besserung schreitet fort. Er beantwortet Fragen, während er früher er nur mit Echolalie reagierte. Er kann benennen, was er in Büchern sieht.“
Autismus drückt sich nicht durch einen Entwicklungsstillstand, sondern u.a. (!) und z.T. (!) eine Verzögerung in bestimmten Bereichen aus. Es ist durchaus zu erwarten, dass ein Kind sich entwickelt. Von ganz alleine ein bisschen und mit Förderung deutlich mehr.
„Im Januar 2004 verließ er die therapeutische Kinderkrippe und wurde in eine Schule für Lernbehinderte eingeschult, was mehr war, als seine Eltern und Betreuer je von ihm erwartet hatten.
Dann kam eine Zeit, wo er keine weiteren Fortschritte mehr machte, was für mich ein Zeichen war, dass er ein anderes Mittel benötigte. Er bekommt nun Helium 200 K, zwei Globuli einmal monatlich.“
Diese beiden Absätze zeigen sehr eindrücklich, dass der Autor wenig Erfahrung mit Kindern mit Autismus hat. Wechsel fallen Menschen mit Autismus häufig schwer. Es ist häufig zu beobachten, dass Kinder, die einer größeren Veränderung ausgesetzt sind, und der Schuleintritt gehört dazu, nicht nur stagnieren, sondern zeitweise sogar Rückschritte machen. Für die Familien kann das sehr frustrierend sein, wenn die mühsam gemachten Fortschritte dahinschmelzen. In der Regel kommen sie jedoch wieder, sobald das Kind in der neuen Umgebung angekommen ist. Solche Wechsel sollten daher gut begleitet werden.
Springen wir an das Ende des Artikels:
Frage von Alex Leupen an die Eltern: Wie sehen Sie die Zukunft für Ginuwine?
Antwort der Eltern: Er wird wahrscheinlich in einer therapeutischen Lebensgemeinschaft leben. Im Moment lernt er lesen und schreiben. Auch in der Schule konnten sie uns nicht sicher sagen, was für Fortschritte er noch machen kann; so freuen wir uns über jeden kleinen Fortschritt, den er macht.
Die hier beschriebene Entwicklung ist nichts Ungewöhnliches. Globuli benötigt man dazu nicht. Der Autor scheint sich jedoch diesen nicht ungewöhnlichen Verlauf als Erfolg an die Brust pinnen zu wollen. Die „göttliche Homöopathie“ hat es wieder allen gezeigt.
Eine verwertbare Aussage des Autoren findet sich dann doch noch im Text:
Sobald Sie bemerken, dass sich Ihr Kind nicht normal entwickelt, müssen Sie etwas unternehmen. Egal, wie schwer es ist, Sie müssen versuchen zu akzeptieren, dass Ihr Kind anders ist und sich anders verhält. Je früher eine Diagnose gestellt wird, desto besser.
Genau und dann gehen Sie zur nächsten Autismusambulanz, Autismuszentrum, Kinder- und Jugendpsychiatrischen Ambulanz oder einem Sozialpädiatrischem Zentrum (je nachdem, was vor Ort zu finden ist), zu Menschen die sich mit Autismus auskennen.
noch zwei, die ganz ohne bleiche, kügelchen oder aurabesprechung sprechen gelernt haben 😀
Sie schreiben in Ihrem Text über zwei verschiedene Mittel: „Barium Muraticum“ und „Barium Carbonicum“. Vermutlich haben Sie nach Barium Muriatium recherchiert und sind dabei über Barium CHLORATUM gestolpert. „Muriaticum“ ist die veraltete, aber noch gebräuchliche Form für „Chloratum“.
„Barium Chloratum (früher Muriaticum)“ und „Barium Carbonicum“ sind zwei chemisch unterschiedliche homöopathische Arzneien. Sie schrieben, dass sie der Homöopath wohl nicht mit Autismus auskennen würde. Ich muss das leider auf die Homöopthie bezogen an Sie zurückgeben.
Ich habe gute, zum Teil sehr gute, Erfahrungen mit diesen beiden Mitteln sowie der Homöopathie (auch in Zusammenhang mit Autismus) gemacht und finde es schade, dass Sie diese Heilmethode so ins fast schon Lächerliche ziehen. Dafür müsste dann in Ihrem Text schon wenigstens inhaltlich alles korrekt sein.
Hallo Wolff,
herzlichen Dank für den Hinweis. Das bereitet mir allerdings keine allzu großen Kopfschmerzen. Ich vermute bei 200 k handelt es sich um einer 200er Potenz nach Korsakov-Methode. Das bedeutet, es ist ohnehin kein Molekül der Ausgangssubstanz mehr vorhanden. An der Kernaussage des Textes ändert sich damit nichts.
Meine Erfahrung ist übrigens, dass niemand der oder die Homöopathie kritisiert nach Ansicht von Homöopathen Ahnung davon hat. Haben Sie ähnliche Erfahrungen?
Sie können Ihre Erfahrung mit Homöopathie in bares Geld umsetzen. Wenn sie unter kontrollierten Bedingungen nachweisen können, dass Sie zwei Homöopathika in C30er Potenz auseinanderhalten können, ohne das Etikett zu lesen, können Sie bei der GWUP 10 000 Euro verdienen! Viel Erfolg!!!